Der europäische Strommarkt: Vernetzung, Herausforderungen und Chancen
18.03.2025: Früher war die Stromversorgung in Europa eine rein nationale Angelegenheit. Mit der Liberalisierung des Marktes und der Schaffung eines grenzüberschreitenden Netzes entwickelte sich jedoch ein europaweiter Handel mit Elektrizität. Verbraucher können seitdem ihren Anbieter frei wählen und der Strom fließt dorthin, wo er gerade benötigt wird.
Vorteile der europaweiten Vernetzung
Die Integration der nationalen Strommärkte verfolgt zwei zentrale Ziele: eine stabile Versorgungssicherheit und eine gesteigerte Effizienz. Durch die Vernetzung lassen sich Erzeugungsschwankungen besser ausgleichen und Kosten senken, da Strom dort produziert werden kann, wo es am wirtschaftlichsten ist.
Gleichzeitig ist die Stromversorgung anspruchsvoll. Einspeisung und Verbrauch müssen jederzeit im Gleichgewicht bleiben. Deshalb existieren vier Handelsstufen: langfristige Terminkontrakte, kurzfristige Day-Ahead- und Intraday-Märkte sowie die kurzfristige Regelenergie, die Netzschwankungen innerhalb von Sekunden ausgleicht.
Erneuerbare Energien als Herausforderung
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wird die Steuerung des Netzes komplexer. Wind- und Solarenergie sind wetterabhängig und schwer planbar. Eine zuverlässige grenzüberschreitende Infrastruktur ist daher essenziell, um Strom von Regionen mit Überangebot in verbrauchsstarke Gebiete zu transportieren.
Stromspeicher bieten in Zeiten, in denen viel Energie aus erneuerbaren Quellen produziert wird, eine Möglichkeit, diese zu speichern und bei Bedarf abzurufen. Netzüberlastungen werden vermieden.
Trotz fortschreitender Vernetzung gibt es weiterhin Engpässe. Deshalb ist Europa in verschiedene Strompreiszonen unterteilt, da nicht unbegrenzt Strom zwischen allen Regionen transportiert werden kann. Natürliche Barrieren wie Gebirge oder eingeschränkte Seekabelverbindungen führen zu regional unterschiedlichen Preisen.
Stromhandel und Infrastrukturprobleme
Grenzkuppelstellen, über die der Strom zwischen Ländern fließt, sind oft Engpässe im System. Dies hat zur Folge, dass hohe Preisunterschiede zwischen den Regionen entstehen. Die Alpen und Pyrenäen erschweren beispielsweise den Stromfluss von Nord nach Süd. Auch osteuropäische Länder sind aufgrund einer weniger ausgebauten Infrastruktur schlechter angebunden.
Ein Beispiel für die Auswirkungen dieser Engpässe ist die Auflösung der gemeinsamen Strompreiszone zwischen Deutschland und Österreich im Jahr 2018. Aufgrund von Transportbeschränkungen konnte günstiger Windstrom aus Norddeutschland nicht im benötigten Umfang nach Österreich geliefert werden.
Redispatch als kurzfristige, kostenintensive Lösung
Um Netzüberlastungen zu vermeiden, wird das sogenannte Redispatch-Verfahren genutzt: Kraftwerke in Regionen mit zu hoher Einspeisung werden gedrosselt, während in anderen Regionen zusätzliche Kraftwerke hochgefahren werden. Dies verursacht jedoch erhebliche Kosten.
Langfristig soll der Netzausbau helfen, solche Eingriffe zu minimieren. Eine größere Preiszone ohne Engpässe würde für eine effizientere Verteilung sorgen und günstigere Strompreise ermöglichen.
Einheitlicher europäischer Markt, unterschiedliche nationale Preise
Obwohl ein gemeinsamer europäischer Strommarkt angestrebt wird, bleiben die Verbraucherpreise national unterschiedlich. Steuern, Abgaben und Netzentgelte variieren von Land zu Land. In Deutschland sind beispielsweise die Grundgebühren niedrig, aber der Verbrauchspreis pro Kilowattstunde hoch, während es in Frankreich genau umgekehrt ist.
Außerdem erzeugen einige Länder mehr Strom, als sie verbrauchen, während andere auf Importe angewiesen sind. Die Marktintegration führt jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. In Deutschland gibt es ausreichend Kapazitäten, um Spitzenlasten abzudecken. Oft ist es wirtschaftlicher, Strom aus dem Ausland zu beziehen, anstatt ihn teuer selbst zu produzieren.
Ein dynamischer Markt mit viel Potenzial
Der europäische Strommarkt entwickelt sich stetig weiter. Die Vernetzung ermöglicht eine kostengünstige und stabile Versorgung, erfordert jedoch einen kontinuierlichen Infrastrukturausbau. Wenn langfristig Engpässe beseitigt werden, könnte Strom in Europa flächendeckend zu den günstigsten Preisen gehandelt werden – ein Vorteil für Verbraucher und Wirtschaft gleichermaßen.