Gutachten: Expertenrat fordert breitere Klimapolitik und mehr Investitionen
06.02.2025: Der Expertenrat für Klimafragen hat sein „Zweijahresgutachten 2024“ vorgestellt. Obwohl Fortschritte bei der Senkung der Treibhausgasemissionen erzielt wurden, bleibt das Klimaziel für 2030 gefährdet. Besondere Defizite bestehen in den Bereichen Gebäude und Verkehr. Der Ausbau erneuerbarer Energien war maßgeblich für die Emissionsminderung, doch in der Industrie war es eher die schwache Konjunktur, die zur Reduktion beitrug. Laut Expertenrat reicht der europäische Emissionshandel allein nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen – zusätzliche Maßnahmen seien erforderlich.
Ganzheitlicher Ansatz in der Klimapolitik notwendig
Der Expertenrat fordert, Klimapolitik breiter zu denken und stärker mit anderen Politikfeldern zu verknüpfen. Angesichts geopolitischer Herausforderungen und wirtschaftlicher Schwächen müsse Klimaschutz als Teil einer umfassenden Strategie verstanden werden. Ein zentrales Steuerungsinstrument sei nötig, etwa durch die Wiederbelebung des Klimakabinetts. Zudem schlägt das Gremium ein systematisches Monitoring vor, um Wechselwirkungen mit anderen Politikfeldern transparenter zu machen.
Die Investitionen in den Klimaschutz sind erheblich: Laut einer Analyse von vier Studien sind jährlich 135 bis 225 Milliarden Euro erforderlich. In der Energiewirtschaft entstehen Kosten von bis zu 90 Milliarden Euro pro Jahr, insbesondere durch den Ausbau erneuerbarer Energien und Stromnetze. Experten fordern deshalb, Klimaschutzmaßnahmen in die langfristige Finanz- und Wirtschaftsplanung der Regierung einzubeziehen und innovationsfreundliche Anreize zu setzen.
Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigen
Der Expertenrat betont, dass Klimaschutzmaßnahmen auch soziale und ökonomische Verteilungswirkungen haben. Während energieintensive Branchen durch steigende CO₂-Preise unter Druck geraten, sind private Haushalte in den Sektoren Gebäude und Verkehr besonders betroffen.
Bisher profitierten vor allem einkommensstarke Haushalte von Förderprogrammen, während Menschen mit geringeren Einkommen benachteiligt wurden. Künftige Maßnahmen müssten daher sozial gerechter gestaltet werden. Gezielte Entlastungen für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen müssen geschaffen werden, um eine gerechte Verteilung der Klimakosten zu gewährleisten. Neben einem sozial gestaffelten Klimageld könnten auch verbesserte Förderprogramme für energetische Sanierungen und klimafreundliche Mobilitätslösungen dazu beitragen, soziale Schieflagen zu vermeiden.
Besonders im Bereich des Wohnens sind viele Mieterinnen und Mieter von steigenden Heizkosten betroffen, ohne selbst über Sanierungsentscheidungen bestimmen zu können. Hier bedarf es klarer gesetzlicher Regelungen, um eine faire Kostenverteilung zwischen Mietern und Vermietern sicherzustellen. Langfristig müsse Klimapolitik nicht nur ökologisch wirksam, sondern auch sozial ausgewogen gestaltet werden.
Politische Reaktionen auf das Gutachten
SPD-Klimaexpertin Nina Scheer sieht in den Empfehlungen eine Bestätigung der bisherigen Klimapolitik und fordert weiterhin Anreize für den Umstieg auf erneuerbare Energien. Grünen-Politikerin Julia Verlinden betont, dass Deutschland auf Kurs sei, aber weitere Maßnahmen erforderlich seien. Sie plädiert für sozial gestaffelte Förderprogramme und eine zügige Einführung des Klimagelds.
Kritik kommt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Geschäftsführerin Barbara Metz wirft der Bundesregierung vor, das Klimaschutzgesetz zu entkernen, anstatt es zu verschärfen. Sie fordert eine bundesweite Sanierungsoffensive für öffentliche Gebäude sowie eine verpflichtende jährliche Sanierungsrate von drei Prozent. Zudem drängt die DUH auf ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h in Städten.
Das Gutachten zeigt, dass eine ambitionierte Klimapolitik notwendig bleibt. Neben finanziellen Aspekten müssen soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität stärker berücksichtigt werden. Der Expertenrat fordert eine koordinierte Strategie, um Klimaschutz langfristig und effektiv umzusetzen.