Stabile Daten, instabile Welt: Europas Energiemärkte im Spannungsfeld

Gasherd mit 2 brennenden Flammen23.04.2025: Im März 2025 zeigte sich der europäische Energiemarkt stabiler als erwartet – und das trotz zahlreicher Unsicherheiten. Geopolitische Spannungen und eine zunehmend unberechenbare Zollpolitik aus den USA sorgten für Nervosität, doch der Markt reagierte vorerst gelassen. Die elementaren Faktoren, die Angebot und Nachfrage bestimmen, orientierten sich weiter an saisonalen Mustern.

Durch die milderen Temperaturen verringerte sich der Energiebedarf spürbar. Parallel dazu sorgte eine hohe Photovoltaik-Einspeisung für mehrere Tage mit negativen Strompreisen – ein Phänomen, das sich im Frühjahr wiederholt beobachten lässt.

Flexible Kraftwerke federn Preisschocks ab

In Reaktion auf das Überschussangebot an Solarstrom fuhren klassische Erzeuger wie Wasser- und Kernkraftwerke ihre Produktion gezielt zurück. Besonders Frankreich demonstrierte eine hohe Anpassungsfähigkeit. Dort konnten Atomkraftwerke ihre Tagesleistung um bis zu 12 Gigawatt variieren – ein Novum in puncto Flexibilität. Gleichzeitig wuchs die Stromproduktion der französischen Kernkraftwerke im Vergleich zum Vorjahr um rund sieben Prozent. Dank besserer Verfügbarkeit erreichte sie das höchste Niveau seit sechs Jahren. Das stärkte die Versorgungslage und reduzierte den Bedarf an Gasverstromung – ein wichtiger Beitrag zur Schonung der europäischen Gasreserven.

Dennoch sind die Gasspeicher in Europa zum Ende des Winters auf einen historischen Tiefstand gefallen: Nur noch etwa 34 Prozent der Kapazitäten waren befüllt – so niedrig wie seit vier Jahren nicht mehr.

LNG-Zustrom lindert Gassorgen nur vorübergehend

Auf der Angebotsseite wurde Europa mit rekordverdächtigen Mengen an Flüssiggas (LNG) beliefert – insbesondere durch Spotlieferungen aus den USA. Begünstigt wurde das durch den zügigen Hochlauf des neuen Exportterminals „Plaquemines“ sowie durch eine schwächere LNG-Nachfrage aus China. Dennoch bleibt die Versorgungslage angespannt, vor allem wegen des steigenden Exportbedarfs in Richtung Ukraine, wo die Speicherfüllstände auf einem kritischen Niveau verharren.

Die Europäische Union reagiert mit Vorschlägen zur regulatorischen Anpassung. Flexiblere Vorgaben für die Befüllung der Speicher sollen helfen, die Preisbildung besser auf den Winter zu verlagern und Druck auf die Sommerpreise zu mindern. Damit will man die bislang untypische Preisstruktur – mit höheren Sommer- als Winterpreisen – ausgleichen und bessere Einspeiseanreize schaffen.

Spekulationen drücken Gaspreise – CO₂-Markt bleibt unbeeindruckt

Unterdessen rutschte der Frontmonatspreis für Erdgas innerhalb weniger Wochen um rund 40 Prozent ab – hauptsächlich, weil institutionelle Anleger ihre spekulativen Long-Positionen abbauten. Das führte dazu, dass Gaskraftwerke im Vergleich zu Kohlekraftwerken wieder an Wettbewerbsfähigkeit gewannen.

Die CO₂-Zertifikate hingegen zeigten sich von der Volatilität unbeeindruckt. Trotz wirtschaftlicher Sorgen und politischer Eingriffe blieben die Preise weitgehend stabil – was angesichts der bestehenden Angebotsknappheit auf ein hohes Maß an Marktresistenz schließen lässt.

Neue Zölle aus den USA sorgen für Erschütterungen

Der geopolitische Druck nahm zuletzt wieder zu. Die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine, den USA und Russland stagnieren. Beobachter zweifeln inzwischen daran, dass es in absehbarer Zeit zu einem Waffenstillstand kommt – was mögliche Gastransporte durch die Ukraine zusätzlich erschwert.

Zugleich spitzte sich der globale Handelskonflikt dramatisch zu: US-Präsident Trump verkündete massive Importzölle auf beinahe alle Einfuhren ab dem 5. April. Viele Länder reagierten mit Gegenmaßnahmen, was die Finanzmärkte erschütterte. Der US-Aktienmarkt verlor über drei Billionen Dollar, der Dollar selbst fiel um 2,1 Prozent – getrieben von Ängsten vor Inflation und einem globalen Abschwung.

Zwischen Stabilität und Unsicherheit bleibt Handlungsbedarf

Trotz der überraschenden Robustheit der europäischen Energiemärkte bleibt die Lage fragil. Die fundamentalen Faktoren wie saisonale Nachfrage, erneuerbare Einspeisung und flexible Erzeugungsstrukturen bieten zwar eine gewisse Stabilität – doch sie stehen unter dem wachsenden Druck geopolitischer und wirtschaftspolitischer Risiken.

Vor allem die Unsicherheiten rund um den Gasimport, die strategisch bedeutsame Rolle der Ukraine sowie die Auswirkungen des globalen Zollstreits könnten sich in den kommenden Monaten deutlich stärker auf Preisbildung und Versorgungssicherheit auswirken. Europa ist daher gut beraten, seine Energieinfrastruktur weiter zu diversifizieren, resiliente Speicherstrategien zu forcieren und den Ausbau der Erneuerbaren konsequent voranzutreiben – nicht zuletzt als Antwort auf eine Welt, in der wirtschaftliche Schocks und politische Machtspiele zunehmend den Takt angeben.

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